MicroCredentials im Hochschulbereich befinden sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. Es bedarf begleitender Forschung, um ihre Wirksamkeit und Akzeptanz zu bewerten.

Da sich das Bildungssystem in einem dynamischen Wandel befindet, können verschiedene Hindernisse auftauchen und den Einsatz von MicroCredentials in Frage stellen, z. B:

  • Einige Lernende sind immer noch der Meinung, dass MCs weniger wert sind als traditionelle Zertifikate. Die lernenden Stakeholder benötigen möglicherweise mehr Infomationen, um zu verstehen, dass ein MC tatsächlich ein Training in aktuell geforderten und sich noch entwickelnden Fertigkeiten sowie in Kenntnissen bietet, die auf bestehende und künftige Bedürfnisse abgestimmt sind. Daher müssen die Zertifizierungsorganisationen ein Bewusstsein für die Wertigkeit und Gültigkeit ihrer MCs schaffen. Sie können von regelmäßigem Feedback der Stakeholder lernen, um die Entwicklung, die Qualitätsstandards und die Kommunikation rund um ihre MCs zu verbessern.
  • Personalverantwortliche und Hochschulzulassungsstellen könnten zögern, MCs im Einstellungs- oder Zulassungsverfahren anzuerkennen, wenn es keinen Nachweis für die Aktualität und keine transparente Prüfung bzw. Bewertung gibt. Für die Anerkennung durch Hochschuleinrichtungen und Arbeitgeber gleichermaßen ist es wichtig, dass die Qualität eines MC gewährleistet ist und die Lernergebnisse in einem Standard dargestellt werden, der die Vergleichbarkeit gewährleistet. Der Ruf und die institutionelle Akkreditierung des Herausgebers eines MC könnten ebenfalls eine Rolle spielen. 

Neben den vielfältigen Barrieren im Nutzer- bzw. Herausgeberbereich des MC-Ökosystems gibt es einige allgemeinere kritische Aspekte, die von Teilen der Wissenschaft zusammengetragen und in den Kreisen der strategischen bzw. politischen Entscheidungsträger diskutiert werden. MicroCredentials werden aus verschiedenen Gründen kritisch gesehen:

  • Zum einen wird festgestellt, dass der Hype um MicroCredentialing die Tendenz widerspiegelt, Lehrpläne und Studiengänge im Hochschulbereich zu entflechten, um die Effizienz und Rentabilität zu steigern (Ralston 2021). 
  • Andererseits sehen die Autoren ein gewisses Risiko, wenn sie eine wiederauflebende Bewegung in der Industrie und im Hochschulbereich beobachten, die darauf abzielt, das Hochschulcurriculum in Richtung Berufsausbildung umzugestalten (Ralston 2021). Diese Ansicht bezeichnet MCs als ein Ergebnis neoliberaler Lernpostulate. Der zweckfreie und selbstgesteuerte Charakter des Lernens im Hochschulbereich wird in Gefahr gesehen. 
  • Befürworter einer kritischen Betrachtung könnten MCs auch als ein Instrument zur Erhöhung des Potenzials der Humankapitaltheorie sehen, um Hochschullehrpläne so zu verändern, dass sie mit den offensichtlichen Anforderungen des Arbeitsmarktes übereinstimmen (Wheelan 2021). Im Gegensatz zu einem Studiengang haben MCs in der Regel keinen allgemeinbildenden Ansatz, sondern legen den Schwerpunkt auf die Vermittlung von anwendungsbezogenem Wissen und Fähigkeiten, die den Bedürfnissen der Arbeitskräfte entsprechen.
  • Da branchenspezifische Kompetenzen in vielerlei Hinsicht dem Verfall unterliegen, müssen die Arbeitnehmer immer wieder  Anbieter lebenslangen Lernens aufsuchen, um ihre Fähigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen - und möglicherweise einen erheblichen finanziellen Beitrag leisten (Ralston 2021).

Trotz partieller Kritik sehen einige Autoren jedoch Möglichkeiten, die Auswirkungen des "MC-Wahns" durch die Wiedereinführung eines "ausgesprochen menschlichen Elements" (Pollard 2022) zu verbessern. 

Dementsprechend lassen sich die Ideen für ein geregeltes und nutzbringendes zukünftiges Micro-Credentialing in drei Handlungssträngen zusammenfassen: 

  • MicroCredentials in den regulären Lehrplan einzubinden,
  • sie mit dem Auftrag der Hochschuleinrichtung in Einklang zu bringen,
  • eine kritische und reflektierende Pädagogik zu fördern und zu pflegen.

Diese drei Aspekte spiegeln genau die Absicht dieses Schulungsmaterials für DigiProf in Bezug auf MicroCredentials wider. 


Last modified: Tuesday, 11 April 2023, 3:43 PM